Der Vorfuß- oder Ballengang – wie funktioniert das und was bringt das?

Veröffentlicht in: Barfußlaufen | 10
Meine Füße nach dem Rasenmähen
Meine Füße nach dem Rasenmähen

Der Vorfuß- oder Ballengang – der natürliche Gang des Menschen – beobachte einmal, oder erinnere dich, wie kleine Kinder ihre ersten Schritte machen; ein trippeln, ein mit den Zehen zuerstaufkommender Gang.

Oder: gehe mal rückwärts, tanze, gehe seitwärts, gehe eine Treppe runter, pirsche dich an, mache einen Sprint, schleiche… was tust du? Du triffst mit dem Vorfuß zuerst auf dem Boden auf. Die Ferse dagegen berührt den Boden gar nicht bis ganz leicht. Wie bist du beim Sport z.B. beim Tischtennisspielen, beim Boxen unterwegs? Dann, wenn Schnelligkeit gefragt ist. Wie bewegst du dich? Mit der Ferse zuerst? Da wärst du wohl zu langsam, könntest nicht schnell reagieren, wärest nicht elastisch genug.

Über die Hacke laufen – marschieren (die härteste Form des Hackengangs) – bei jedem Schritt ohne Federung den gesamten Aufprall in den Körper reinschicken (übrigens 50 überflüssige Kilos bei jedem Schritt), in die gesamte Muskel- und Knochenkette, bis hoch in den Kopf also ins Hirn (lese auch den Mickeymaustest). Man könnte fast sagen, wir treten uns selbst bei jedem Schritt, aber auch unsere gute alte Erde…

Und wie kommt es dazu, dass wir nicht mehr natürlich gehen? Abgeguckt bei den Erwachsenen, und durch die Schuhindustrie vorgegeben. Schuhe, die nichts anderes zulassen als den Hackengang. Schuhe, die meistens einen Absatz oder Keil in der Sohle haben. Schuhe, die ein Fußbett haben, eine besondere Unterstützung und Stützung für den Fuß. Immer mehr Dämpfung in den Schuhen (Laufschuhen) und damit immer mehr gegen den natürlichen Gang, obwohl der Körper doch eine so geniale eigene Dämpfung hat. Die sitzt aber nicht in der Ferse, sondern in den Muskeln und Bändern des vorderen Fußes. Stell dich auf deine Zehenspitzen, fange an zu wippen…. du kannst damit dein ganzes Körpergewicht abfedern, einfach genial. Stell dir vor, du machst das bei jedem Schritt, federn und dämpfen, mit dem vorderen Fuß zuerst auftreten, die Muskelkraft deines Fußes nutzen, um dich nicht selbst zu treten. Deinen Füßen wieder die Möglichkeit geben ihre natürliche Form zu bekommen.

Das schaffst du am besten barfuß, weil dein Fuß da die optimale Bewegungsfreiheit hat. Geht aber natürlich nicht immer. Ist ja klar. Wenns zu kalt ist, oder der Untergrund zu unfreundlich, dann brauchen wir Schuhe. Als ich vor 3-4 Jahren mit dem Vorfußgang (Godo) begann, und merkte es geht nicht mit den üblichen Schuhen, es aber auch noch nicht so viele Barfußschuhe gab, hab ich wieder damit aufgehört. Seit dem hat es mich aber nicht mehr losgelassen… es fühlt sich einfach sooo viel besser, ruhiger und leichter an im Vorfußgang zu gehen…. und nu gibts ja auch für alle Gelegenheiten die passenden Schuhe dazu. Schuhe, die einen Nullabsatz haben, die sogenannte Nullsprengung. Die Sohle hat überall am Fuß die gleiche Stärke, ist in der Regel sehr dünn (2 bis 4 mm), es gibt kein Fußbett, es gibt keine Stützungseinbauten für den Fuß (das kann er schließlich viel besser alleine) und ganz wichtig: es gibt sehr viel Platz im Vorfußbereich. Solerunner oder vivobarefoot sind da ein gutes Beispiel.

Das erste mal vom Vorfußgang hab ich im Buch GODO mit dem Herzen gehen von Peter Greb gelesen. (lies hier wie ich zu dem Buch kam)

Um was es da im einzelnen geht, ist hier in diesem dreiteiligen Vortrag ganz gut zusammengefasst.



Es gibt auch noch ein zweites Buch von Peter Greb. Ballengang, das hab ich aber noch nicht gelesen.

Born to run…. Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt. Ein weiteres Buch zum Thema, was ich verschlungen habe – originell, faszinierend, abenteuerlich: ein Journalist auf der Suche nach dem letzten Geheimnis des Sports. Zwischendurch etwas langatmig, aber dennoch kann ich es sehr empfehlen. Währenddessen schon hab ich das dringende Bedürfnis verspürt einfach nur zu laufen… zu laufen zu laufen und zu laufen. Natürlich im Vorfußgang (du kannst „natürlich“ dabei gerne doppeldeutig lesen 😉 )

Aber jetzt mal… wie eigentlich?

Setze deine Füße nicht wie gewohnt mit der Ferse zuerst auf, sondern mit dem vorderen Bereich deines Fußes. Das wirkt am Anfang sehr seltsam, weil es ungewohnt und noch nicht ganz ausgefeilt ist. Denn zu Beginn wirst du bestimmt ganz extrem die Fußspitze zuerst aufsetzen, was auch richtig ist, aber komisch wirkt. Mit der Zeit wird sich diese neue Bewegung etwas verändern, du wirst nicht mehr so „spitz“ laufen, sondern mehr den ganzen vorderen Fuß aufsetzen und es wird die Optik entstehen, dass du mit dem kompletten Fuß auftrittst. Was du aber nicht tust. Lass den Fuß zur Übung erst mal extrem locker hängen, wenn du losgehst, dann wird er automatisch zuerst mit dem Vorfuß aufkommen, schließlich hängt er da ja näher am Boden 😉 oder gehe ein Stück rückwärts, da hast du genau die Bewegung, nur eben andersrum. Mache auf jeden Fall kleinere Schritte als üblich und versuche die Arme gegengleich mitschwingen zu lassen. Lass ruhig zu, dass dein Oberkörper sich bei jedem Schritt ein wenig mitdreht und die Arme fast über kreuz schwingen. Und wenn du jetzt noch einen draufsetzen möchtest 🙂 versuche ein wenig über den dicken Onkel zu laufen. Wenn du dir mal kurz Schuhe und Socken ausziehst und dir die Linie deiner Zehen ansiehst, da wo sie am Fuß angewachsen sind, dann siehst du, dass die Linie nur dann genau zum Schritt passt, wenn du den Fuß ein wenig nach innen drehst und somit gefühlt über den dicken Zeh gehst. Neulich im Schnee hab ich mir daraufhin meine Spuren mal genauer angesehen, und festgestellt, dass das Laufbild, was sich ergibt gar nicht nach „DickerOnkelLauf“ aussieht. Im Schnee waren einfach nur schöne grade Fußspuren zu sehen. Das über den Onkel gehen entlastet übrigens deine Knie.

Ich habe dir da mal aus einem längeren Film die Ausschnitte zusammenstellen lassen (danke Tina) in denen der natürliche Vorfußballengang wunderbar zu sehen ist; ebenso sind die Auswirkungen des Hacken- und des Vorfußlaufens technisch analysiert.

… und warum?

Es ist der natürliche Gang des Menschen. Sehr gut nachvollziehbar im Buch born to run, in dem die Laufart der Tarahumara beschrieben wird.

Aber eben auch sehr gut für Füße, Muskeln, Sehnen, Knochen, Venen, Psyche, Blutkreislauf. Zum Beispiel brauchen wir dafür, dass das Blut wieder zum Herzen zurückgepumpt werden kann, die Hilfe der Muskeln, die sogenannte Muskelpumpe der Wade. Im Hackengang gibts die Pumpe einmal, beim Abrollen nach vorne, beim Aufkommen mit der Ferse passiert in der Wade gar nichts. Beim Vorfußballengang gibts sie sogar zweimal. Einmal beim losgehen, und einmal beim Absenken den Fußes. Versuch das ruhig kurz. Stell deinen Fuß auf den Boden und tu so als gehst du los, also hebe deinen Fuß nur mit der Ferse an, setze deinen Fuß mit dem vorderen Ballen auf und senke ihn ab, spüre, was in deiner Wade in den Muskeln passiert. Durch die Anspannung der Muskeln wird die Muskelpumpe in Gang gesetzt…klingt gesund oder? 😉 eine bessere Durchblutung kann nicht schaden.

Die Wirbelsäule freut sich sehr darüber, dass sie nicht bei jedem Schritt 50 kg mehr abfedern muss. Sie kann sich wieder in die natürliche Krümmung begeben und muss nicht ausgleichen, was durch den Hackengang unnatürlich verbogen wird. Jeder Hackengänger geht im Hohlkreuz, dadurch entsteht eine Krümmung in der Brustwirbelsäule, dadurch wieder entsteht eine Rückwärtskrümmung in der Halswirbelsäule – willst du weiter als Fragezeichen über die Erde poltern? 🙂

Wenn wir über den Vorfuß gehen, gehen wir über die Reflexzonen von Herz und Lunge (falls du Asthma hast, tut dir die rhythmische Massage dieser Reflexzonen, eben zweimal, bestimmt sehr gut, denn Asthmatiker haben beim Tanzen keine Asthmaanfälle). Gehen wir über die Ferse, dann werden bei jedem Schritt die Reflexzonen von Hoden und Eierstöcken, also das Becken getreten 🙂 was das für dich bedeuten kann, denkst du dir am besten selbst.

Dadurch, dass deine Arme links und rechts beim Vorfußgang viel mehr mitschwingen, zu Beginn wirst du sie bewusst einsetzen müssen, später geht es gar nicht mehr ohne, ist dein Oberkörper beim Gehen viel mehr in Bewegung, was durchaus dein Gesamtgewicht reduzieren kann. Peter Greb hat den Vorfußgang entdeckt, als er mit Übergewichtigen gearbeitet hat. Ihm fiel die Lautstärke und das Vibrieren der Körper beim Hackengang auf. Er selbst hat nur durch den anderen Gang Kilos verloren und mehr Muskeln aufgebaut.

Wenn du Godo gehst, dann bauen sich deine Fußmuskeln wieder auf. Dein Fuß ist stabiler, du knickst nicht mehr um, wahrscheinlich wirst du keine Stinkefüße mehr haben, falls du welche hast 😉 denn durch das Vorfußauftreten wird das Blut wieder in die Beine zurückgepumpt. Beim Hackengang wird es aber im Fuß gestaut und muss nach vorne hin ausschwitzen…. Dein Vorfuß wird wahrscheinlich breiter werden und dein Fußgewölbe sich stärken und eventuell verursachen, dass dein Fuß etwas kürzer wird. Bei mir sind es tatsächlich 0,5 cm, die meine Füße kürzer geworden sind.

Studien haben ergeben, dass wenn depressive Menschen fünf mal am Tag in den fünften Stock Treppen steigen, (was ja mit dem Vorfuß passiert) dann haben sie nach einer Woche keine Depressionen mehr.

Und zum Schluß

Wenn du jetzt sofort loslegen möchtest – tu das gerne, aber denk dran, deine Muskeln sind einen ganz anderen Gang gewöhnt, fang nur für ein paar Schritte an, ein paar Minuten höchstens und steigere das immer mehr, sonst wirst du elendigen Muskelkater bekommen – ich hab ihn gehabt, bin auf dem Laufband eine halbe Stunde Godo gelaufen und konnte danach eine ganze Woche nicht schmerzfrei gehen. Erspare dir das, indem du langsam steigerst. Mittlerweile laufe ich nur noch im Vorfußgang. Den ganzen Tag, 10 km am Stück sind kein Problem mehr. Meine bis dahin immer mal wieder auftretenden Schmerzen im rechten Fuß treten seit dem überhaupt nicht mehr auf. Für mich also ein total geglücktes Experiment.

Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren und vielleicht wirst du genauso infiziert wie ich…

Erzähl mir von deinen Erfahrungen oder schreib mir deine Meinung

bo unterschrift

10 Antworten

  1. uncipaws

    Ich kann auch http://ballengang.de/ von Stefan Heisel empfehlen.
    Das ist ein profi und seine seminare sind entsprechend teuer, aber auch die kostenlosen tips sind sehr lesenswert.

    • Bo

      Danke für den Tip, werde ich mir gleich mal ansehen. Bedeutet das du läufst im Vorfuß/-Ballengang? Ich bin nich alleine…. cool 😉
      Bo

  2. Madam Mim

    Hallo,
    habe sehr interessiert deinen Bericht gelesen…
    Unser ältester Sohn läuft schon immer im Verfußgang.
    Weil das bei ihm ab und an etwas seltsam aussah, sind wir mit ihm zum Orthopäden gegangen, der uns bestätigt hat, dass diese Art zu laufen die beste ist und im Grunde wir es sind, die flasch laufen ^^
    Viele Grüße
    Madam Mim

    • Bo

      Hallo Madam Mim,
      da habt ihr aber mit eurem Orthopäden ganz schön viel Glück gehabt. 🙂 Wie schön zu lesen, dass es immer mehr gibt, die zum Vorfußgang raten.
      Liebe Grüße von Bo

  3. Thorsten

    Hi. Ich suche seit längerem schon Leute mit Langzeiterfahrung im Ballengang. Was man so findet und liest klingt gut, aber ich finde leider wenig echten Austausch zu dem Thema. Wie geht euch das mit dem Ballengang? Wie lange und regelmäßig macht ihr das schon?
    Schön zu lesen das euch ein Orthopäde ganz von sich aus dazu geraten hat. Ich wundere mich warum man zu diesem Thema nicht mehr findet.
    Liebe Grüße
    Thorsten

    • Bo

      Hallo Thorsten,
      mittlerweile findet man schon einiges mehr zum Thema. Vielleicht entwickelt sich ja hier unter dem Artikel noch ein kleiner Austausch, fände ich auch ganz interessant.
      Vielleicht demnächst noch mal mehr dazu von mir.
      Liebe Grüße von Bo

  4. Ju

    Hallo!
    Interessanter Artikel, der meine Erfahrungen wiederspiegelt. Laufe seit einem dreiviertel Jahr in Leguanos und habe beim Kauf mit dem Ballengang begonnen. Ich find das alles total logisch, bin aber als gelernte Physio immer noch skeptisch, uns wird in der Ausbildung der Fersengang als das Maß der Dinge gelehrt…
    Ich habe ein recht gutrs Körpergefühl, ich brauchte trotzdem Wochen der Schulung, bevor ich ohne Nachdenken mit einem guten Ballengang loslaufen konnte.
    Muskelkater hatte ich auch vom Feinsten…

    Ich habe mir jetzt bis zum Sommer immer den Wechsel zwischen den „normalen“ Schuhen und den Leguanos gegönnt, weil ich doch etwas Bamnel vor Überlastungserscheinungen hatte. Gerade die Achillissehne braucht ja doch eine Weile, bis sie sich an neue Aufgaben gewöhnt hat.
    Ich habe gemerkt, dass ich nur auf unebenen Untergrund oder steinigem Untergrund mit genug Fussaktivität unterwegs bin, hab die Leguanos mal zu beginn im Einkaufszentrum getragen, da haben meine Füße einfach trotz Ballengang die Aktivität verweigert und waren völlig plattgelatscht.
    Nun trage ich sie nur auf natürlichen Untergründen und es geht super.
    Neulich war ich damit sogar 6 Std im Wildpark und habe gedacht nach ein oder zwei Stunden sehnen sich meine Füße nach ihren Einlagen. Pustekuchen, nach den 6 Std. Hätten meine Füße die Tour gefühlt noch mal machen können.
    Mein Längsgewölbe und die Stellung des Großzehengrundgelenks hat sich sehr verbessert, das Quergewölbe lässt noch auf sich warten.

    Alles in allem bin ich aber sehr angetan und werde das Thema weiter intensivieren.

    • Bo Pohl

      Hallo Ju,
      wow, spannend. Der Körper braucht bei allen Umstellungen genug Zeit und keinen Druck. So halte ich es immer, und ich stelle oft was um. Nach fast 50 Jahren von fast immer vegetarisch auf rohköstlich umzustellen zum Beispiel geht auch nicht in ein paar Tagen.
      danke für deinen ausführlichen Bericht. Übrigens, wenn du es mal barfuß versuchen wollen solltest 😉 dann finde ich, geht das mit dem Ballengang noch viel natürlicher und einfacher.

      Ganz liebe Grüße von Bo

  5. Ju

    Hallo nach fast einem Jahr nochmal,

    ich habe weiter fleißig überwiegend den Ballengang praktiziert, habe seit dem Herbst aber ein Problem:
    Ich bin dummerweise, weil es wegen der Wespen nicht anders ging (wurde im Sommer zwei mal in den Fuß gestochen) mit Crocs 4 std im Garten rumgelaufen. Hatte meine Barfußschuhe in der Wäsche.
    Danach hatte ich unter beiden Füßen genau zwischen dem Großzehen und dem Grundgelenk des 2. Zehs ein ekliges Ziehen. Nervenschmerzartig. Ich dachte zunächst es würde sich wieder beruhigen. Tat es aber nicht. Erst 3 Wochen mit Einlagen drinnen und draußen(Bäääähhh) brachten wieder Ruhe rein. Ich stieg langsam wieder um, aber seit dem plagt mich das Problem immer wieder, genauso wie ich morgens nach dem Aufstehen immer wieder Anlaufschmerzen hatte.
    Mit Einlagen alles kein Problem, ohne aber schon. Ich dachte zunächst an Metarsalgie, aber der Bereich der schmerzt wird nicht übermäßig belastet. Keine Hornhaut, eher Falten „nach innen“.
    Mein Rücken und ich sind sehr traurig, dass die Füße plötzlich nicht mehr mitmachen. Hat hier jemand eine Idee dazu?

    • Bo

      Hallo Ju,
      das klingt ja nicht so toll für dich. Ich kann dir dazu leider gar nichts sagen, veröffentliche deinen Kommentar aber gerne in der Hoffnung es findet sich jemand, der etwas dazu sagen kann. Eventuell fragst du auch noch einmal bei Evas Barfussblog nach. Sie ist ja auch eine sehr erfahrene Barfussläuferin.
      Liebe Grüße und alles Gute für dich und deine Füße

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