930,90 oder doch lieber 170,19?

Veröffentlicht in: Sohlenbrenner Tour 2016 | 12

Ich bin ganz klar für 170,19! Warum?

Weil es sich um Euros handelt, die ich ausgeben wollte und mir dann doch lieber gespart habe. 760,71 Euro weniger auszugeben als geplant, kann sich doch sehen lassen.

Worum geht`s hier eigentlich?

Um den Wanderanhänger, liebevoll Karre genannt. Angedacht, und fest eingeplant hatte ich ja, den Monowalker zu kaufen und für die Sohlenbrenner Tour zu nutzen. Als dann die Preise erhöht wurden und ich mir das Ganze genau überlegte, kam ich zu dem Schluss es zumindest zu versuchen, selber eine Wanderkarre zu bauen.

Noch hatte ich keine Idee, wie und mit welchem Material ich das anstellen könnte. Metall wäre ja super, ich kann aber nicht schweißen, schon deshalb, weil ich kein Schweißgerät zur Verfügung habe. Und irgendwie ist Stahl ja dann auch schwer. Alu wäre leichter, aber eine Idee, die einzelnen Teile miteinander zu verbinden blieb auf der Strecke. Erreichte mich also nicht. 🙂

Ein Filmbericht über einen selbstbebauten Fahrradrahmen aus Bambus ließ mich hellhörig werden. Wow, so ein Fahrrad sieht ja klasse aus, und die Technik die Rohre miteinander zu verbinden, das würde ich ja gerne mal machen.

Bambusfahrrad

Erst sehr viel später kam ich auf die Idee, diesen Filmbeitrag mit meiner Karre zu verbinden und zu überlegen, wie eine solche denn aussehen könnte.

Ein Problem hatte ich gedanklich sehr lange. Wie bringe ich das Laufrad stabil genug an die Bambusrohre und wie befestige ich eine Bremse? Die Bremse ist mir bei der ganzen Geschichte sehr wichtig. Wenn ich mir vorstelle mich schiebt am Berg die Karre mit ihren sicherlich 20 bis 25 kg schneller runter, als ich treten kann dann finde ich es klasse eine Bremse zu Hilfe zu haben, die es zuläßt, dass alles in Maßen auf mich einschiebt. 🙂

Eine gebrauchte BMX Vorderradgabel für einen Euro löste gleich beide Probleme. Das Rad klaue ich vom Transportanhänger meines Fahrrades, ziehe einen neuen Schlauch und Mantel drauf, kaufe Epoxidharz, Baumwollflocken, ne Bremse, Carbonband, Hanfschnüre, Bambusrohre und einen Hüftgurt, der eigentlich fürs Pulkaziehen gedacht ist, und es kann losgehen.

Was brauche ich nun wofür?

Rad und Gabel und Bremse dürfte klar sein. Bambusrohre irgendwie auch, aber wofür zum Henker benötige ich Baumwollflocken? Gibts sowas überhaupt? Klar gibts das, ein total feines, weiches, weißes Pulver aus Baumwolle. Lustig und nu?

Die Bambusrohre müssen ja irgendwie miteinander verbunden werden. Dabei hilft Epoxidharz, das wird zweikomponentig angeliefert und jeweils mit dem Härter angemischt. Die Küchenwaage hilft mir dabei, dass die Mischung stimmig ist. Und da dieses Gemisch doch sehr flüssig und tropfig ist, kommen Baumwollflocken mit rein. Das ergibt eine, je nach dem wie viel Flocken hinzugemengt werden, zähe zumindest nicht mehr tropfende Masse, mit der ich die Verbindungen mit zusätzlicher Hilfe von Hanfband (aus dem Sanitärbereich zum Abdichten von Wasserleitungen etc) oder Carbonband herstellen kann.

2015_10_29_bo wanderkarre_4692

Also Bambusrohre zuschneiden, Enden der einzelnen Rohre an die Rundung des Gegenstücks anpassen und das ganze als ein Stück versuchen aneinander zu binden und zu klemmen, so, das es hält ohne dass Epoxidharz oder sonstiges am Rahmen ist. Das war wirklich das fummeligste und schwierigste der ganzen Aktion. Die Rohre müssen schon so miteinander in Kontakt sein, als wären sie fest miteinander verbunden, sind sie ja aber noch nicht. Puh.

2015_10_29_bo wanderkarre_4698

Für die erste grobe Festigkeit benutzte ich Carbonband. Was ich heute nicht mehr nutzen würde. Es ist teuer, und fransig beim schneiden und irgendwie unnötig. Ersetzen würde ich es mit Hanfband. Das ist mindestens genauso stabil läßt sich den Rohrrundungen und Verbindungen besser anpassen und kostet 2,99 für den ganzen Rahmen. (Es ist noch für einen weiteren genug übrig)

2015_10_29_bo wanderkarre_4699

Einmalhandschuhe sind übrigens Pflicht. So ein Gematsche mit dem Epoxidharz.

2015_10_31_bo wanderkarre_4701

Die zusammengefügten Verbindungen müssen immer einen ganzen Tag trocknen, bevor es an den nächsten Arbeitsschritt gehen kann. Falls du so was ähnliches vorhast, das geht nicht mal eben an einem Nachmittag, bei mir auch nicht mal in einer Woche.

Für die Aufnahme der Gabel habe ich einfach ein Loch komplett durch das Bambusrohr gebohrt und erst mal grob mit Carbonband befestigt.

2015_10_31_bo wanderkarre_4702

Das überstehende Rohr der Gabel auf der anderen Seite hab ich später einfach abgesägt. Einen kurzen Stumpen hab ich stehenlassen, um sicher zu gehen, dass die Verbindung hält. Schließlich liegt auf diesem Punkt das ganze Gewicht.

2015_11_01_bo karre_5132

Nach der ersten groben Verbindung, die das ganze Gerüst einfach nur zusammenhalten sollte, kam dann die eigentliche Arbeit alle Verbindungen zu verstärken. Mit in Epoxidharz (ohne Baumwollflocken) getränkten Hanfschnüren ist alles umwickelt worden was stabil sein sollte.

2015_11_15_bo karre_5166

Und da mir das immer noch nicht reichte, auch weil die Hanfschnürungen sehr uneben werden, füllte ich die Löcher und Lücken, die unweigerlich entstehen mit Epoxidharzbaumwollgemisch auf. Was ne Pampe 🙂 Die sich natürlich nicht so glatt auftragen und verteilen ließ, wie ich das gerne gehabt hätte.

Also gibts nach der großen Matschaktion eine sehr langwierige Schleifaktion. Wo ich doch schleifen so richtig gerne mag 😉

Mein Maschinchen half mir sehr dabei. Allerding musste auch einiges an Handarbeit geleistet werden, da wo das Maschinchen nicht hinkommt und die Endschleifung mit ganz feinem Papier. Schleifarbeiten mache ich ja grundsätzlich draußen, im Haus gehts gar nicht und selbst in der Werkstatt vermeide ich das, weil ich dabei schnell keine Luft mehr bekomme. Bei den Temperaturen in den letzten Wochen lag die unfertige Karre also einfach rum und wartete auf mich. Was ein Glück nicht so permanent im Weg, wie oben auf dem Bild zu sehen, sondern einfach hochkannt an der Wand. 🙂 Da steht sie dann ja auch eher.

Die Optik ist mir ja auch immer ne wichtige. Deshalb hab ich mich entschlossen mit nem schwarzem Lackrest die Verbindungen, ich nenne sie Muffen, auch wenn es keine sind, zu lackieren. Geschliffen sahen die weißen Muffen fast wie Marmor aus, da das Hanf natürlich an einigen Stellen sichtbar wird. Nett anzusehen, netter fand ich es aber schwarz.

2016_01_23_bo pinselt karre_6218

Auf dem oberen Bild kannst du auch die endgültige Verbindung zur Gabel ganz gut sehen.

2016_01_23_bo pinselt karre_6222

Schick was? Heute kommt noch die endgültige klare Lackierung über alles drüber, damit die Bambusrohre auch geschützt sind. Wie das Wetter von Juni bis August wird weiß ich ja nicht wirklich 🙂

Dann fehlt noch ein längerer Bremszug, der mitgelieferte ist nämlich zu kurz.

2016_01_24_bo karre_6268

An diesen beiden Gurtbändchen hängt per Karabiner die Karre am Hüftgurt. Ich hoffe sie so beladen zu können, dass ca. 60% des Gesamtgewichts auf dem Rad lasten und nur 40% am Hüftgurt und damit an mir.

2016_01_24_bo karre_6273

Und dann kann es endlich losgehen zur ersten Testrunde. Ob auch alles so funktioniert, wie ich mir das gedacht habe?

Was ich jetzt schon sagen kann, ist, dass meine Karre sehr viel leichter ist, als der Monowalker und eben ne ganze Stange günstiger. Ich rechne natürlich nicht meine stundenlange Arbeit mit rein, dann wäre sie genauso teuer wie der Monowalker. Das Geheimnis des selbermachens ist ja, dass man sich mit der reingesteckten Arbeitsleistung ganz gut betrügen kann. Ich fühle mich von mir aber gar nicht betrogen, denn ich bin stolz drauf, dass die Karre fast fertig ist und doch so gut aussieht.

Wenn du dir noch nicht vorstellen kannst, wie das Teil an mir hängt und wo und wie denn da auch noch Gepäck drauf soll, dann gedulde dich ein wenig. Ich erzähle auf jeden Fall von den ersten Testrunden. Auch mit Bildern. 🙂

bo unterschrift


12 Antworten

  1. Eva

    Respekt, Respekt. Bo, das Teil sieht richtig schick aus. Toll, das Du die Karre selber baust. Es ist doch so viel schöner, wenn man sich mit den wenigen Dingen, die man hat, auch identifiziert. Danke, das Du uns an Deinem handwerklichen Geschick teilhaben lässt. Ich bin gespannt, was Du von Deinen Testfahrten berichtest und ob Du es hin bekommst, daß das Hauptgewicht auf dem Rad liegt. Das einigermaßen freie Bewegen, trotz Hüftgurt, ist wichtig auf querfeldein-Touren 🙂 LG Eva
    Eva kürzlich veröffentlicht…Winterspaß mit + ohne barfußMy Profile

    • Bo

      Hallo Eva,
      danke danke danke 🙂 Ich bin auch sehr gespannt. Wenn morgen die letzte Lackschicht trocken ist, dann wird getestet.
      Liebe Grüße von Bo

  2. uncipaws

    Sehr spannende konstruktion, gefällt mir auch als maschinenbauer gut! Schon praxisgetestet?

    Wenn ich noch eine anmerkung machen darf: Viel stabiler wird das ganze, wenn du nicht nur längs- und querelemente hast, sondern auch schräge versteifungen. So wie es jetzt ist, könnten schräge kräfte das ganze verformen; wenn du kreuzweise schnüre von einer ecke zur anderen spannst, würde das aufgenommen.

    Und womöglich geben bei belastung die ecken (wo die handgriffe in den querbalken übergehen) als erste nach. Müsstest du mal voll beladen und sehen, ob sich dann schon etwas verformt. Aber nicht nur statisch, sondern auch über unebenes gelände ziehen.

    Die reparierbarkeit unterwegs ist natürlich auch ein kriterium. Kannst du, wenn eine der verbindungen sich auflösen sollte, diese mit bordmitteln einfach erneuern?

    Soviel mein senf als maschinenbau-ingenieur … frohes testen; selber machen macht immer mehr spaß als viel geld auszugeben, vor allem wenn sich das ergebnis bewährt!

    • Bo

      Hallo unci,
      danke für deine Kritik. Ich komme auf dich zurück, falls was komisch ist, und dann erklärst du mir noch mal die Kreuzgeschichte, wenn die ersten Testläufe gelaufen sind. Natürlich über Unebenheiten noch und nöcher.
      Liebe Grüße von Bo

  3. Rainer

    Hi schicke Karre. Statt dem Hanf hätte ich die abgeschnittenen Dreads genommen, lach.

    • Bo

      Hallo Rainer,
      die Idee hätte ich früher bekommen sollen. Das wäre so was von meine Karre geworden. Leider sind die ganzen netten Dreads auf dem Kompost gelandet. Ich schätze einige Rattis haben sich damit ihr Nest gebaut 😉
      Liebe Grüße von Bo

  4. scratch

    Toller Bericht – du hast so super tolle Ideen und setzt die auch noch super super toll um !!!!!!!
    Viel Erfolg beim testen !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  5. [asc]

    Hallo Bo,
    das ist eine tolle Karre, ich hoffe sie bewährt sich auch. Ich wusste gar nicht dass man Bambus so stabil zusammenkleben kann – wieder was gelernt 🙂
    — [asc]

    • Bo

      Hallo asc,
      cool ne, als Fahrrad finde ich die Geschichte mit dem Bambus ja noch viel interessanter. 🙂 Danke dir, nächste Woche machen wir eine erste Testtour über 2 Tage. Bin sehr gespannt, ob alles hält 🙂
      Liebe Grüße von Bo

  6. steppes

    Hi Bo !
    Die Karre ist echt gut geworden ?
    Aber von Dir und Deinem Geschick habe ich auch nichts anderes erwartet ?
    Die heiße Phase ist ja auch schon angelaufen!
    Wenn du noch Unterstützung brauchst oder ich etwas für Dich tun kann, dann sag einfach Bescheid.
    Gruß Steppes

    • Bo

      Moin Steppes,
      danke für dein Lob 🙂 Jo, ich kann jetzt nicht mehr sagen: nächstes Jahr gehts los. Jetzt muss ich sagen: in ein paar Monaten gehts los. Wenn ich daran denke schlägt mein Herz doppelt so schnell. 🙂
      Liebe Grüße und danke für dein Angebot für Unterstützung, da melde ich mich doch glatt bei dir. Es gibt viel zu tun.
      Bo

Schreibe einen Kommentar zu steppes Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert