Am liebsten alles raus

Veröffentlicht in: Minimalismus | 2

Seit Tagen irre ich mit dem Gedanken durch die Gegend „Ich will weniger Zeugs um mich rum haben, ich will mit noch weniger klar kommen. Ich will mich befreien, von unnützem , doppeltem, belastendem.“

Ich bin ja wirklich keine Sammlerin, bin ich noch nie gewesen. „Killifit“, wie meine Mutter sagen würde, steht bei mir nicht rum. Sehr oft schon hab ich die wohltuende Wirkung des Entrümpelns und Aufräumens erlebt. Neu sortieren, umsortieren, nicht nur in meinen Schränken und Regalen, sondern ganz besonders in mir selber.

Doch in den letzten Wochen reicht mir gedanklich kein normales Entrümpeln. Üblicherweise hocke ich mich vor meine Klamottenschränkchen, wenn mich ein Anfall von Freiheitsdrang überrumpelt und beginne auszusortieren. Vor ein paar Wochen war es dann endlich soweit, dass ich einen kompletten, für mich großen, Schrank leer hatte. Nun gibt es noch vier kleine 30 breite, 50 tiefe und 57 hohe Schränkchen, in denen alle Sommer- und Winterklamotten und selbst die Arbeitsklamotten für warm und kalt unter sind. Hey das sind 0,342 Kubikmeter 🙂 locker bestückte Flächen. Ich schaffe es bald auf drei Schränkchen. Denn noch immer sind es mir zu viele Klamotten.

Der oft folgende Schritt betrifft meine Bücher. Im Moment gibt es noch ca. einen Meter Bücher, der sich aber ruck zuck auf 40- 50 cm reduzieren ließe und auch die nächsten Tage reduziert wird.

Danach hört die Aktion meistens auf, weil anderes wichtiger scheint, oder einfach der Alltag ruft, oder vielleicht auch, weil ich mich für den Moment innerlich genug sortiert habe.

Gestern aber habe ich gedanklich schon mal ganz anders angefangen, als sonst. Das dringende Gefühl war das gleiche, die Methode eine andere.

Ich stellte mir nicht die Frage, was ich weggeben könnte, sondern, was ich unbedingt brauchen würde. Und diese Frage rollt die ganze Geschichte einfach andersrum auf.

Es gibt jetzt einen Zettel, auf dem ein paar Kategorien wie Küche, schlafen, wohnen, Klamotten, Technik, Werkzeuge stehen, darunter die Dinge, ohne die es nicht geht, oder auf die ich nicht verzichten möchte. Der Zettel, und damit der Gedankengang ist noch nicht fertig. Aber es arbeitet heftig in mir.

Ein Beispiel: Meine Taufkerze, so alt wie ich, wunderschön schlicht, aus Bienenwachs gezogen. Sie war gedacht als Kerze, die mich bei allen kirchlichen Festen wie Taufe, Kommunion, Firmung, Trauung, Beerdigung? begleitet. Die ersten drei hat sie ja auch mitgemacht, auf das vierte kann sie wohl ewig warten, denn ich bin vor zig Jahren aus der Kirche ausgetreten. Das heißt nicht, dass ich nicht weiß, dass es Gott oder eine höhere Macht (Macht klingt in diesem Zusammenhang irgendwie unpassend) gibt, im Gegenteil.

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Diese besagte Kerze liegt also seit Jahrzehnten bei mir rum, zu dem ist sie auch noch vor ein paar Jahren bei einem Umzug genau in der Mitte durchgebrochen. Seit dem fristet sie ihr Dasein halb aneinanderhängend. Sie wegzuwerfen brachte ich nicht übers Herz. Heute jedoch, als ich meinen Sekretär komplett leerte, fiel sie mir als letztes Teil in die Hände und ich beschloss, sie zu nutzen. Dafür schnitt ich den Docht an der Bruchstelle durch und begradigte das Wachs. Die beiden Kerzen sind bis auf einen Zentimeter gleich groß und sollen mich gerne weiter begleiten. Ich werde sie hin und wieder anzünden, wenn es mir danach ist. Dem Bruch sei Dank habe ich nun zwei Lichter, die mir leuchten. Ein Zeichen?

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Die Entscheidung fühlt sich auf jeden Fall gut und richtig an. Und heute zünde ich sie an, weil ich spüre, dass etwas großes, leichtes, einfaches in mir reift, und auch, weil das Jahr gleich zu Ende ist.

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Zurück zum Zettel ☺

Der liest sich gerade eher wie die Packliste für die Sohlenbrenner Tour und könnte ein Leben im Zelt beschreiben. Ganz so extrem muss es dann auf Dauer doch nicht sein. Allerdings kann ich mir gut vorstellen im Bauwagen, oder einem kleinen Holzhäuschen oder immer mal wieder eine Zeit lang im VW Bus zu leben.

Ein Beispiel aus der Küche:

Es ist nicht unsere, von den Möbeln her, vom Inhalt schon. Ein Meterunterschrank und sein dazu passender Hängeschrank sind schon vor längerer Zeit rausgeflogen, die beiden standen einfach leer. Jetzt gibts n Minisofa in der Küche. Die Schränke allerdings sind nur eins weiter in den Versorgungsraum gerutscht worden, wo sie immer noch leer stehen, zwar uns nicht im Weg, aber immer noch da. Wir können keine Küchenmöbel weggeben, die uns nicht gehören. Aber das nur nebenbei.

Es reichte doch ein Teller, ein Becher, eine Schale, Besteck, am besten aus Holz oder Bambus, das nicht gleich zerbricht, beim runterfallen, pro Person und zwei Töpfe.

Warum ist dann die Küche noch immer so voll? ~ Wenn mal Besuch kommt, die brauchen dann ja auch… will ich Gemüse anbraten, brauche ich ne Pfanne. Auf meinen Turbomixer möchte ich nicht verzichten, grüne Smoothies sind einfach zu lecker. Zum Kaffee kochen ist ein Filter ganz nett, auch wenn ich gar keinen Kaffee mag. Aber Tina mag ihn. Der Schnellkochtopf spart ordentlich Energie, die gesammelten Schraubgläser sind klasse zum Apfelmus lagern, meine große Lieblingsschüssel ist für Salat echt wichtig. Und so sind so viele Dinge im ganzen Haus einfach da, weil sie das Leben irgendwie einfacher und bequemer machen sollen, es aber durch ihre Anwesenheit auch schwerer machen!?

Die Überlegungen die Küchenutensilien drastisch zu reduzieren rühren daher, dass bei uns leider keine Küchenfee wohnt, die gerne kocht oder spült. Die Idee ~ gibt es nur einmal Geschirr etc pro Person, kann einfach nicht so viel dreckiges von jeder Sorte auf der Arbeitsfläche aufs spülen warten. Und wird es wieder gebraucht, dann muss erst gespült werden. Ein neuer Versuch, die Küche nicht dauernd wie einen Haufen Elend vor zu finden. Aber was, wenn Besuch kommt?

Ein Beispiel die Menge der einzelnen Dinge betreffend

Hätte ich nur zwei alte Handtücher als Hundetrockner, wäre die Waschmaschine fast leer, wenn ich die beiden waschen würde. Und sie mit anderen Dingen gemeinsam zu waschen, wäre so was ähnliches wie dumm. Die Maschine ist schon wirklich lange bei mir. Ich hoffe trotzdem nicht, dass sie kaputt geht, damit ich eine kleine anschaffen könnte. Oder gar zur Handwäsche übergehe? Wie schreibt Anne Donath in ihrem Buch: Wer wandert, braucht nur, was er tragen kann? Alle Haushaltsgeräte, die kaputt gingen wurden einfach nicht mehr ersetzt. Sie lebt auf 4 x 4 Metern, ohne Strom, ohne Heizung, ohne Telefon. Geil.

Ich bin mir sicher, dass sich während und nach der Sohlenbrenner Tour, die an die drei Monate dauern könnte einiges in mir verändern wird. Entweder ich komme nach Hause und räume das Haus endgültig leer, oder ich kann die minimalistischste Art zu leben nicht mehr sehen. Mein Gefühl landet bei ersterem. Vielleicht laufen wir auch einfach weiter?

Warum kann ich mich von so vielen Dingen nicht trennen?

Nach genauerem Hinsehen umgeben mich hauptsächlich Dinge, die ich für meine Arbeit brauche. Wolle ohne Ende, Stricknadeln und Nadeln, viele Stoffe, dazu die Nähmaschinen und Zubehör, die dann auch gleich eine Standfläche brauchen. Mein ganzes Werkzeug, was ja glücklicher Weise in der Werkstatt lebt. Mein Schreibtisch mit Drucker, Papierkram etc.

Es umgibt mich alles, aber richtig persönliches habe ich bis auf ein paar Bücher, Klamotten und meine Kinderbilder schon lange nichts mehr. Gut, ein Fahrrad, ein Auto. Ich könnte versuchen auf das Auto zu verzichten. Vieles wäre sicher ohne möglich. Doch so weit ab von allem, 6 km zur nächsten Einkaufsmöglichkeit, 10 km in die Innenstadt, sollte ich mir das gründlich überlegen. Gefallen würde es mir 🙂

Dann gibt es zwei, drei, vier selbstgemachte wunderschöne Geschenke, von mir wichtigen Personen, die ich aber nicht nutze. Was soll ich damit tun? Sie liegen, hängen oder stehen rum. sie lassen mich zwar beim Ansehen, an die Person denken, doch, ich denke auch ohne dieses Geschenk zu sehen an die Person. Wüsste ich jemanden, der die Dinge wirklich brauchen und haben wollen würde, ich würde sie weitergeben. Einfach wegschmeißen kann und werde ich sie nicht. Ich stolpere zwar jedesmal beim Ausmisten über diese Dinge und denke „hmmm“, aber richtig stören tun sie mich auch nicht. Eines Tages wird sich auch dieses Problemchen einfach auflösen 🙂

Ein sehr persönlicher Bereich fällt mir doch gerade noch ein. All meine Outdoorteile. Sie lagern in einem Schrank, sind durchsortiert und aufgeräumt und bleiben sicher bei mir. Zelt, Isomatte, Schlafsack, Kocher etc. Eigentlich der Schrank, dessen Inhalt ich dringend zum Leben bräuchte. Alles andere ist Luxus. Vielleicht liebe ich auch deshalb diese Dinge ganz besonders. Klein verpackbar, leicht und stabil.

Magst du es auch lieber leerer als voller? Auf was verzichtest du? Was brauchst du unbedingt? Was gar nicht?

Es arbeitet, es denkt, es träumt

bo unterschrift

 

2 Antworten

  1. scratch

    klasse und aus der Bauchmitte raus geschrieben – bin auch am üben mit dem weggeben

    • Bo

      Hallo Scratch,
      na dann mal viel Spaß beim Platz machen für was neues 🙂

      Liebe Grüße von Bo

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